Akademia - Frauen in der Wissenschaft

„What do you see when you picture a scientist?“

Aktuell sind in Deutschland nur 25% der Professuren weiblich besetzt, obwohl der Frauenanteil mit 50% bei Studienabschlüssen hoch ist (Destatis, 2020). Frauen werden in wissenschaftlichen Publikationen seltener zitiert, in MINT-Fächern sind sie unterrepräsentiert.

In der Forschung gibt es einen „Gender Data Gap“ (Perez, 2019). Es fehlen Daten in Medizin, Politik, Algorithmen oder Produktgestaltung, die sich auf die Körper und auf die Lebensrealität von Frauen beziehen. Um diese blinden Flecken zu beseitigen, brauchen wir mehr Diversität in den Führungsebenen der Institute.

Wissenschaftliche Karrieren orientieren sich an der klassischen Erwerbs-biografie von Männern. Problematisch sind unter anderem die Befristung von Stellen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Inzwischen gibt es Bemühungen von Bund und Ländern, durch Tenure-Track-Programme eine paritätische Verteilung in der Vergabe von Professuren zu erreichen.

Viele Professorinnen berichten, dass es zu Beginn ihrer Tätigkeit kaum Frauen in den höchsten Positionen gab. Sie sind eine Inspiration für Mädchen und junge Frauen, einen Weg in die Forschung einzuschlagen.

Für dieses Projekt wurden 12 Wissenschaftlerinnen aus verschiedenen Fachbereichen in Hochschul- oder Forschungsumgebung portraitiert.





Prof. Dr. Dorothea Wagner

Lehrstuhlinhaberin am Institut für Theoretische Informatik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Vorsitzende des deutschen Wissenschaftsrates

Prof. Dr. Dorothea Wagner, KIT Karlsruher Institut für Technologie





Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink

Lehrstuhlinhaberin am Institut für Soziologie, Goethe-Universität Frankfurt
Fachbereich Industrie und Organisationssoziologie, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)

Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink, Goethe-Universität Frankfurt


>>Es ist mir eine große Freude, Studierende beim Hineinwachsen in die Wissenschaft begleiten zu können. Die Erkenntnis, dass Wissenschaft nicht außerhalb der Gesellschaft stattfindet, sondern immer ein Teil davon ist, macht aus Studierenden junge Forscher*innen, die verantwortungsvoll in die gesellschaftliche Praxis schauen und diese zu verstehen suchen. Zu dieser gesellschaftlichen Praxis zählen Mechanismen der Reproduktion der sozialen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern oder die Hindernisse bei der konsequenten Umsetzung ökologischer Ziele im Alltag.

Dass die Praxis der Wissenschaft zunehmend wettbewerblich geprägt ist, beispielsweise wenn es um knappe Ressourcen wie Drittmittel oder Stipendien geht, erschwert diese verantwortungsvolle Praxis. Weswegen ich es absolut verstehen kann, dass die wissenschaftliche Karriere für viele junge Menschen keine Option mehr darstellt. Ziel meiner Arbeit ist es dann, ihnen einen Weg aufzuzeigen, der es ihnen auch in der außerwissenschaftlichen Praxis ermöglicht, das im Studium Gelernte sinnstiftend umzusetzen.

Ich selbst komme aus einem Arbeiterhaushalt und habe mich durch die starren männlich geprägten Strukturen und Institutionen des Wissenschaftssystems gekämpft, und meinen Weg auch gegen Widerstand gemacht. Könnte ich heute, wenige Jahre vor meinem Ausscheiden aus der Wissenschaft, sagen, es lässt sich dort ein tiefgreifender Wandel in Richtung Gleichstellung und gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme beobachten, würde ich mit einer gewissen Genugtuung gehen - aber das wird mir wohl verwehrt bleiben!<<





Prof. Dr. Annette Kehnel

Lehrstuhlinhaberin am Institut für Mittelalterliche Geschichte, Universität Mannheim
Prorektorin der Universität Mannheim

Prof. Dr. Annette Kehnel, Prorektorin Universität Mannheim


>>Im vergangenen akademischen Jahr hatten wir zwei Habilitationen am Historischen Institut der Uni Mannheim. Zwei davon Frauen: Eine 100% Frauenquote. Ich find das toll. Wir sind ein kleines Institut. Sechs Professuren von der Alten Geschichte bis zur Zeitgeschichte. Drei Männer, drei Frauen. Ich mag gemischte Teams und finde das klasse, wenn jetzt die Frauen überholen. Persönlich fördere ich einfach die Besten. Und zufällig waren das ganz oft Frauen.

Ein Forschungsprojekt, dass ich auf den Weg gebracht habe: Derzeit läuft eine Studie zu Frauen als Akteurinnen auf den Städtischen Finanzmärkten in Südfrankreich im 14. und 15. Jahrhundert. Ein tolles Projekt. In einer Datenbank FEM Les femmes dans l’économie de Montpellier médiévale werden die Namen von Frauen in den Akten der städtischen Notare erhoben, und man sieht, dass Frauen ganz selbstverständlich aktiv waren, kauften, verkaufen, erbten, vererbten, gaben und nahmen Kredite und führten die Geschäfte.

"Liebe, und dann tu was Du willst" (Augustinus von Hippo, 354-430)<<





Prof. Dr.-Ing. Sabine Klinkner

Lehrstuhl für Satellitentechnik am Institut für Raumfahrtsysteme, Universität Stuttgart
Forschungsgebiete am Lehrstuhl: Satellitentechnik, Explorationsrobotik und Staubastronomie

Prof. Dr.-Ing. Sabine Klinkner, Institut für Raumfahrtsysteme, Universität Stuttgart


>>Leider wird es immer noch nicht als selbstverständlich angesehen, dass Frauen technische Berufe ergreifen. Nach meiner Erfahrung hält das viel zu viele talentierte junge Frauen davon ab, sich für diese spannenden Studiengänge und Berufe zu entscheiden. Als Professorin für Satellitentechnik an der Universität Stuttgart hoffe ich dazu beizutragen, dass sich die gesellschaftliche Wahrnehmung hier ändert und freue mich, wenn ich junge Frauen inspirieren und ihnen den Mut geben kann, technische Berufe und in diesem Bereich auch Spitzenpositionen anzustreben.

Ich selbst bemühe mich um die Nachwuchsförderung und Motivation von Frauen im MINT Bereich. Try Science und Girls Day am IRS für Schülerinnen, Mentoring einer Juniorprofessorin und einer Postdoktorandin im Rahmen von "bescience" und „AdvanceScience“. Vorträge bei “DLR - Women in leading positions”, Amelia Earhart Fellowship Preisverleihung, Yuris Night Stuttgart/Wien. Führungen am Institut und Tag der Wissenschaft.<<





Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer

Lehrstuhlinhaberin Romanische Sprach- und Medienwissenschaft, Universität Mannheim
Fachbereich vergleichende sprachpolitische Forschung, Migrations- und Variationslinguistik

Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer, Universität Mannheim





Prof. Dr. Michaela Frye

Regulatorische Mechanismen der Genexpression, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Fachbereich Tumorbiologie, RNA-Methylierung und -Modifikationen

Prof. Dr. Michaela Frye, DKFZ Heidelberg


>>Der Frauenanteil unter Nachwuchsforschern und Nachwuchsgruppenleitern ist am DKFZ zwischen 40 und 50%. Das ist wichtig, und Women-in-Science Programme sind oft auf diese Zielgruppe gerichtet (z.B. das Cancer Transitional Research And EXchange Program (Cancer-TRAX) und das DKFZ Leadership Programm in Cancer Research). Allerdings ist der Anteil an Frauen in höheren Führungspositionen nur knapp über 20%, und daran hat sich auch in den letzten 10 Jahren nichts geändert. Es gibt also klaren Handlungsbedarf, wenn so viele Frauen das Gefühl haben, den Beruf verlassen zu müssen.

Als Mentor muss man Talente erkennen, und Frauen muss es sehr oft gesagt werden, dass sie hervorragend sind. Leider ist positives Feedback in der Wissenschaft viel zu selten. Nach mehr als drei Jahren Forschung hatte ich als Post Doc endlich die Funktion eines Proteins herausgefunden, es war eine RNA-Methyltransferase. Worauf mein Supervisor antwortete: "Na, wenn das eine RNA-Methyltransferase ist, ist Deine Karriere vorbei". Jetzt raten Sie mal, woran ich immer noch arbeite: RNA-Methyltransferasen. Eben dieses Projekt hat meine Forschung auf den Weg gebracht. Es hilft wirklich, wenn man an sich selbst glaubt.

Wenn Ihr das Gefühl habt, dass eine Führungsposition das ist, was Ihr gut könnt und wollt: "go for it".
Auch wenn es am Ende vielleicht nicht klappt, schaden tut das einer Karriere nie.<<





Prof. Dr. Dr. h.c. Anne Peters, LL.M.

Direktorin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Heidelberg
Professuren an Universitäten Basel, Heidelberg und FU Berlin, Law School der University of Michigan

Prof. Dr. Dr. h.c. Anne Peters, MPIL Heidelberg


>>Jungen Wissenschaftlerinnen würde ich raten, sich mit Themen zu befassen, die Sie wirklich bewegen um Dinge rauszufinden, Thesen aufzustellen oder Sachverhalte zu erklären, die Ihnen wichtig erscheinen. Liefern Sie einen Output, der Ihren eigenen Qualitätsmaßstäben genügt, und lassen Sie sich durch Misserfolge nicht entmutigen. Finden Sie eine gute Balance zwischen Hartnäckigkeit mit Tunnelblick auf der einen Seite und kritischer Distanz mit Selbstreflektion auf der anderen Seite. Lassen Sie nicht immer die Männer reden, aber werden Sie auch nicht paranoid. Wenn Sie etwas vorzuweisen haben, kommt die „Vernetzung“ von alleine.<<





Dr. Laura Kreidberg

Direktorin am Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Fachbereich Astrophysik von Exoplaneten und Atmosphäre

Dr. Laura Kreidberg, Max-Planck-Institut für Astronomie Heidelberg

Dr. Laura Kreidberg, Max-Planck-Institut für Astronomie Heidelberg





Prof. Dr. Jutta Mata

Lehrstuhlinhaberin für Gesundheitspsychologie, Universität Mannheim
Direktorin am Mannheim Center for Data Science, assoziierte Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, Universität Lissabon

Prof. Dr. Jutta Mata, Universität Mannheim


>>Die Diskussion zu Gleichstellung und Chancengerechtigkeit wird oft sehr emotional geführt und ist von persönlichen Eindrücken und Erfahrungen geprägt. Mein Ansatz ist hier, Zahlen und wissenschaftliche Evidenz genauer anzuschauen. So haben wir im Kontext meiner Arbeit als zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Mannheim fünf Fact Sheets rund um das Thema Berufungen erstellt ( —> Empirische Evidenz ). Sie sollen als sachorientierte Entscheidungsgrundlage dienen.

Zwei wichtige Aufgaben für die Zukunft sind aus meiner Sicht: (1) Noch mehr Evaluationen von Maßnahmen zur Förderung von Gleichstellung und Diversität. (2) Umfassenderes Monitoring von Prozessen an der Universität. Viele Zahlen (z.B. aus Berufungsverfahren) sind vorhanden, aber sie sind nicht so standardisiert und (digital) zugänglich, dass sie direkt in ein Monitoring einfließen können.<<





Dr.-Ing. Dorina Strieth

Gruppenleiterin am Lehrstuhl Bioverfahrenstechnik, TU Kaiserslautern
Fachbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik

Dr.-Ing. Dorina Strieth, TU Kaiserslautern


>>Es gibt immer noch sehr wenige Frauen in der Wissenschaft. Vor allem im MINT-Bereich! Warum ist das so? Mir haben definitiv die Vorbilder gefehlt und das Selbstvertrauen, um direkt etwas technisches zu studieren. "Frauen können kein Mathe". Mit dem Satz bin ich noch aufgewachsen. Schlussendlich bin ich über Umwege im Bereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik gelandet und bin sehr zufrieden damit. Mal abgesehen von den befristeten Arbeitsverträgen in der Akademia. Aber das ist ein ganz anderes Problem.<<





Prof. Dr. Tanja Brühl

Präsidentin Technischen Universität (TU) Darmstadt


Prof. Dr. Tanja Brühl, Präsidentin der TU Darmstadt





Prof. apl. Dr. med. Gwendolyn Gramer, MBA

Funktionsoberärztin, Universitätsklinikum Heidelberg
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Sektion für Neuropädiatrie und Stoffwechselmedizin

Prof. apl. Dr. med. Gwendolyn Gramer, Neuropädiatrie Universitätsklinikum Heidelberg





Prof. Dr. Claudia Dickhäuser

Professorin für Psychologie, Fachbereich Soziale und methodische Kompetenzen
Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen, Ludwigsburg

Prof. Dr. Claudia Dickhäuser, Hochschule Ludwigsburg


>>Als Mentorin im vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg geförderten Projekt "Traumbberuf Professorin" bin ich für potenzielle und angehende Professorinnen Ansprechpartnerin (Mentorin) in Karrierefragen und biete Fortbildungen an, z.B. zum Thema: "Berufliche Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten“. Hier ein Interview mit mir zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Professorin. Außerdem bin ich an unserer Hochschule Ansprechpartnerin zum Thema Diskriminierung (z.B. aufgrund von Geschlecht) und biete in diesem Zusammenhang Beratung und Hilfestellung an.<<





Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes

Juniorprofessorin für empirische Personalökonomik, Universität zu Köln
Senior Researcher im ZEW-Forschungsbereich Marktdesign, Statisches Bundesamt

Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes, ZEW Mannheim

Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes, ZEW Mannheim





Ausstellung SHE

Die Bilder waren im Rahmen der Ausstellung "SHE" des Female Photoclub im Danzig am Platz in Frankfurt zu sehen.

SHE Ausstellung

Link zur SHE-Ausstellung
Ausstellungskatalog als PDF anzeigen